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Die große Reblausplage im Weinanbau

Auf modernen Dampfschiffen erreicht im 19. Jahrhundert die amerikanische Wurzelreblaus als "blinder Passagier" Europa und befällt die heimische Rebe. Die Rettung vor dem Schädling: Aus zwei Reben wird eine Pflanze.

5 Min. | 31.07.2023

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ZDF/Terra X/Stein Filmproduktion/Martin Papirowski/Timm Westen/Roxana Ardelean/Jann Holzapfel/Maximilian Heß

Textfassung

Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Weinanbau dehnt sich um 200.000 Hektar aus, davon 130.000 allein im Süden Frankreichs. Getreide, Oliven, Gemüse – alles muss den Reben weichen. 1863 zeigen Weinreben in Südfrankreich rätselhafte Symptome - sie verkümmern und sterben meist nach drei Jahren ab, und die Plage weitet sich aus. Zur gleichen Zeit als das Rebensterben in Europa einsetzt, lösen Dampfschiffe die Großsegler ab. Das ist kein Zufall. Denn auch Holzkisten mit Weinstecklingen aus Amerika finden so ihren Weg nach Europa. Sie transportieren "blinde Passagiere". Denn in ihren Wurzeln haben sich sogenannte Wurzelrebläuse eingenistet. Auf den Großseglern hatten sie keine Überlebenschance. Nach eineinhalb Monaten Seereise sterben sie ab, aber die modernen Dampfschiffe schaffen die Strecke in knapp zehn Tagen. Ein Kollateralschaden des Fortschritts: Die amerikanische Wurzelreblaus erreicht Europa! Auf den Spuren der bislang größten Katastrophe in der Geschichte des europäischen Weinbaus. Befallene Wurzeln, das Werk eines Schädlings, der Tausende von Winzern in den Ruin treibt: Die Reblaus! Prof. Joachim Schmid, Rebenzüchter, Hochschule Geisenheim "Die Reblaus sticht an der Wurzel an, sorgt dafür, dass Foramositäten und anschließend auch Tumorösitäten entstehen. Das sind dann kleine Löcher an Verdickungen. Die Reblaus saugt weiter, aber gleichzeitig öffnet sie Eintrittspforten für Bakterien und Pilze, die dann ganze Wurzelstränge zum Absterben bringen, weil die Leitungsbahnen blockiert sind." Bis 1870 werden mehr als 500 Vertilgungstechniken diskutiert, keine kann überzeugen. Auf einem „Internationalen Reblaus Kongress“ wird die Entwurzelung aller befallenen Flächen und der Einsatz von Schwefelkohlenstoff - einem Nervengift - beschlossen. In vielen Weingebieten werden so Böden, Flora und Fauna systematisch verseucht - auch die Reblaus! Zumindest für den Moment, denn die Larven überleben trotzdem, und die Plage geht weiter. Rund 70 Prozent der gesamten europäischen Anbaufläche sind von der Reblausplage befallen. In Frankreich vor allem die Toplagen in Bordeaux und Burgund, in Deutschland rund ein Viertel aller Weinberge. Jules-Emile Planchon ist Professor für Pharmazie an der Universität Montpellier und Insektenforscher. Er macht schließlich die entscheidende Entdeckung. Es ist nicht weniger als die Rettung für den europäischen Weinbau bis in die Gegenwart. Die Erkenntnis, dass bestimmte amerikanische Rebsorten gegen die Wurzelreblaus resistent sind, während umgekehrt die Läuse, die nur die Blätter befallen, europäischen Sorten nicht viel anhaben können. Prof. Joachim Schmid "Die Idee, dass eine Amerikaner Rebe an der Wurzel resistent ist und die Europäer am Blatt gute Resistenzen aufzeigt, hat dazu geführt, dass man beide Partner durch eine Pfropfung vereinigen konnte und somit eigentlich eine ideale Lösung und biologisch technologische Lösung gefunden hat, die wirklich super gut funktioniert." Die Rettung vor dem Schädling ist genial wie einfach: Aus zwei Reben wird eine Pflanze: Der untere amerikanische Teil, der in den Boden gelangt, ist gegen die Wurzelreblaus resistent, der obere europäische, der die Trauben trägt, gegen die Blattreblaus. Die Geschichte des Weinbaus ist eine Kette von Innovationen und Rückschlägen. Doch sie hat die Qualität und auch die Haltbarkeit des Weines kontinuierlich verbessert. Nach der Reblausplage hält die Wissenschaft Einzug in die Weinproduktion. Und der Fortschritt in den Weinbergen und - kellern geht auch nach 10.000 Jahren Weinproduktion kontinuierlich weiter.

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