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Der Vater

In der zweiten Folge der "Terra X"-Dokureihe legt das Team des Paläontologen Nizar Ibrahim in Marokko das Skelett eines jungen Spinosaurus frei. Der Spinosaurus ist einzigartig unter den Dinosauriern.

S01 F02 | 44 Min. | 20.08.2025 | | UT - AD - DGS
Video verfügbar bis 20.08.2030

Der ursprünglich an Land lebende riesige Räuber eroberte vor 100 Millionen Jahren die großen Ströme und Flüsse als Lebensraum, die damals die Sahara durchzogen. Die Forschenden nennen ihn Sobek, nach dem ägyptischen Krokodilgott, und sie sind sich sicher, dass sein Lebensraum der gefährlichste Ort aller Zeiten war. Denn nirgendwo sonst auf der Welt wurden die Fossilien von so vielen großen Raubsauriern, Riesenkrokodilen und Raubfischen entdeckt. Vermutlich sorgte diese gewaltige Konkurrenz dafür, dass sich jede Art extrem spezialisierte.

Sobek beispielsweise wurde zum Fischfresser. Eine weitere Reaktion auf den immensen Druck, den die anderen Raubsaurier ausübten, könnte eine intensive Betreuung der Jungtiere gewesen sein: Der Vergleich mit einigen modernen Krokodilarten und Vögeln zeigt, dass diese Aufgabe beim Vater gelegen haben könnte. Um das Überleben seiner kleinen Familie zu sichern, musste Sobek mit seinen Nachkommen reiche Jagdgründe finden. Aber die Reise dorthin barg viele Gefahren ...

Über den Spinosaurus

Steckbrief: Ausgewachsen war der Spinosaurus rund fünf Meter hoch und besaß eine imposante Länge von 16 bis 18 Metern. Der Spinosaurus unterschied sich von allen anderen Dinosauriern, denn er verbrachte die meiste Zeit im Wasser. Mit seinem kräftigen Paddelschwanz – der so lang wie ein ganzes Krokodil war – und seinen Schwimmfüßen war er perfekt an das Leben in den Flüssen und Sümpfen des alten Marokko angepasst. Mindestens genauso mysteriös wie sein Leben war auch seine Entdeckungsgeschichte. Ein großer Teil dieses Geheimnisses rührt daher, dass das erste Spinosaurus-Skelett, das 1912 in Ägypten entdeckt wurde, bei einem Bombenangriff der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde und die wissenschaftliche Gemeinschaft das Wesen lange für ein Hirngespinst hielt.

Ernährung: Der Spinosaurus war ein spezialisierter Fischfresser. Nizar Ibrahim hat erst kürzlich die Hypothese entwickelt, dass er sich hauptsächlich von einer ausgestorbenen Sägerochenart namens Onchopristis ernährt hat.

Zeitliche Einordnung: Spinosaurus lebte vor etwa 100 bis 98 Millionen Jahren, im ersten Teil der späten Kreidezeit.

Fundstelle und Lebensraum: Im Kem-Kem-Gebirge im Osten Marokkos wurde bei Ausgrabungen das Skelett eines jungen Spinosaurus freigelegt – das weltweit bisher einzige vergleichsweise vollständige. Sein Lebensraum waren die großen Flüsse und Gewässer, die damals die Sahara durchzogen. Forscher sind davon überzeugt, dass sein Lebensraum der gefährlichste Ort aller Zeiten gewesen sei – nirgendwo sonst auf der Welt wurden Fossilien von so vielen großen Raubsauriern, Riesenkrokodilen und Raubfischen entdeckt.

Experte in der zweiten Folge "Terra X: Unter Dinos – Geheimnisse der Urzeit. Der Vater"

 Interview mit dem Paläontologen Nizar Ibrahim

Die zweite Episode der Reihe, "Der Vater", zeigt einen jungen männlichen Spinosaurus, der sich aufopferungsvoll um seine Jungen kümmert. Wie kann man auf so ein Verhalten schließen?
Nizar Ibrahim:
 Wir wissen, dass alle Dinosaurier Eier gelegt haben. Manchmal finden wir sogar Dinosauriernester. Wir wissen auch, dass einige Dinosaurier auf ihren Eiern gesessen haben. Und es gibt einige Hinweise, die darauf hindeuten, dass es sich bei diesen Tieren, die auf den Eiern gesessen haben, um Männchen gehandelt hat.

Gibt es noch mehr Argumente für diese Annahme?
Wir wissen von heutigen Vögeln, den nächsten Verwandten der Dinosaurier, dass oft die Männchen viel von der Brutpflege übernehmen, beim Emu zum Beispiel. Das sieht man vor allem bei den "primitiveren" Vogelarten. Beim Spinosaurus können wir uns natürlich auch noch andere Tiere anschauen, etwa Krokodile: Bei Gavialen ist es so, dass die Männchen viele kleine Gaviale beschützen und sich um sie kümmern. Das ist ein relativ plausibles Modell für Brutpflege beim Spinosaurus.

Ein weiteres Argument, dass elterliche Fürsorge nötig war, ist der hohe Druck durch eine gefährliche Umwelt. Wie sah die Welt des Spinosaurus aus?
Heutzutage ist die Sahara einer der trockensten Orte, die es auf der Erde gibt, aber vor 100 Millionen Jahren sah die Landschaft ganz anders aus. Die Gegend dort war eine Art grünes Paradies mit riesigen Flüssen und Seen, aber die Raubtierdichte war enorm. Es gab gigantische Raubdinosaurier wie Spinosaurus oder auch Carcharodontosaurus und mehrere andere. Das sind alles Raubsaurierarten, die so groß waren wie Tyrannosaurus rex oder sogar noch größer. Daneben lebten in den Flüssen riesige krokodilartige Räuber, einige davon so lang wie ein Bus. Und schließlich gab es riesige Flugreptilien, also Raubtiere der Luft, mit Flügelspannweiten von bis zu acht Metern. Dazu kamen große Raubfische in der Größe eines Autos. Die Region war ein ziemlich ungewöhnliches Ökosystem, und ich denke, man kann sie tatsächlich als einen der gefährlichsten Orte in der Erdgeschichte beschreiben.

Wie konnte Spinosaurus in Konkurrenz mit so vielen anderen riesigen Raubtieren überleben?
Der Spinosaurus ist besonders: Er sieht ganz anders aus als alle anderen Raubdinosaurier, die man so kennt, wie etwa der Tyrannosaurus rex. Spinosaurus hat eine krokodilartige Schnauze, die sehr in die Länge gezogen ist, ein riesiges Rückensegel und einen paddelartigen Schwanz. Sein Knochenbau ist schwerer als bei anderen. Das sind alles Anpassungen an ein Leben im Wasser – und das ist einzigartig in der Welt der Dinosaurier. Er ist der erste Saurier, von dem wir Skelettfunde haben, der die aquatische Welt erobert hat. Insofern ist der Spinosaurus einer Art Pionier in der Evolution der Dinosaurier.

Das bedeutet, er hat sich auf Fische spezialisiert, während die Landsaurier Fleisch gefressen haben?
Ja, genau. Wir gehen davon aus, dass ein Fisch namens Onchopristis seine Hauptnahrungsquelle gewesen sein könnte. Er sah etwa so aus wie heute lebende Sägerochen. Wir haben Fossilien von dieser Art nicht weit entfernt von unserem Spinosaurus gefunden.

Da wir schon von den Überresten sprechen: Lässt der Fund denn erkennen, woran der Spinosaurus gestorben ist?
In seltenen Fällen kann man bei fossilen Skeletten tatsächlich die Todesursache feststellen. Man findet zum Beispiel Spuren von Verletzungen, Knochenbrüchen oder Bissspuren. Gelegentlich entdeckt man auch Knochenerkrankungen wie zum Beispiel Krebs. Bei unserem Spinosaurus haben wir solche Hinweise nicht. Wir können anhand der Knochen allerdings ablesen, dass er zwischen 17 und 19 Jahren alt war. Er ist als junger Erwachsener gestorben.

Durch Ihre Grabungen sind so viele neue Informationen über den Spinosaurus ans Licht gekommen. Gibt es etwas, das Sie gern in der Zukunft noch genauer erforschen möchten?
Es gibt natürlich einiges, was wir noch nicht über den Spinosaurus wissen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es auf der ganzen Welt nur dieses eine einzige Skelett gibt. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob alle Spinosaurier so ein riesiges Rückensegel hatten. Vielleicht gab es da Unterschiede. Wenn wir zum Beispiel wüssten, ob die Segel bei Männchen und Weibchen unterschiedlich groß waren, könnten wir die Bedeutung der Segel besser interpretieren. Es gibt also noch einiges zu entdecken, aber dazu müssen wir erst mal noch ein zweites Spinosaurus-Skelett finden.

Unter Dinos – Geheimnisse der Urzeit: Spinosaurus Sobek - Der Vater
Streamen ab 20. August 2025
TV-Erstausstrahlung ZDF am 31. August 2025, 19:30 Uhr

Film von Stephen Cooter, Owen Gower, Tom Hewitson
Deutsche Fassung: Ruth Omphalius

Redaktion TV Katharina Kolvenbach
Redaktion Online Michael Büsselberg

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